„Über den wilden Fluss“ von Philip Pullman - Mr. Pullman, was denken Sie, werden wir noch Freunde?

„Über den wilden Fluss“ von Philip Pullman – Mr. Pullman, was denken Sie, werden wir noch Freunde?

Hey bookish People,

Freitag, kurz vorm Wochenende und irgendwie hatte diese Woche ja jeder noch einen Feiertag. Zumindest hoffe ich das. Ich habe diese Woche wirklich genossen. Urlaub ist halt schön. Neben einer Lesung, habe ich auch ein Konzert besucht und Bücher in Stapel verteilt. Zudem arbeite ich gerade an ein paar Blogbeiträgen für die kommenden Wochen. Tja, alles schaff ich wohl nicht, da ich meine Zeit zum Beispiel noch mit der „Langen nacht des lesens“ im Hugendubel verbringen möchte. Aber eine Rezension gibts heute trotzdem und zwar mal wieder eine etwas „abgefahrenere“ Variante in Form eines Briefes an den Autor von His Dark Materials (wem das nicht sagt, dem sollte wenigstens der 1. Band „Der goldene Kompass“ bekannt vorkommen). Sein letztes Buch „Über den wilden Fluss“ ist die Vorgeschichte dieser Trilogie und irgendwie hatte ich Lust darauf, meine Meinung so zu verfassen. Viel Spaß dabei.

Die Rivalität zwischen Glauben und Wissenschaft in einem Fantasyroman zu verpacken ist definitiv eine Kunst

Dear Mr. Pullman,

bitte entschuldigen Sie, dass ich Ihnen in meiner Muttersprache schreibe, aber so fällt mir das Schreiben wesentlich leichter. Ich habe viel von Ihnen gehört und man hat mir empfohlen „His Dark Materials“ zu lesen. Ich bin ehrlich zu Ihnen, ich habe die Trilogie vor mir her geschoben. Zumindest bis die dazugehörige Vorgeschichte „Über den wilden Fluss“ letztes Jahr bei uns erschienen. Sie sorgten damit ganz schön für Furore. Die Fans haben fieberhaft darauf gewartet, dass das Buch im Carlsen-Verlag veröffentlicht wird. Ich nahm die Gelegenheit beim Schopf, um so einen Einstieg in die Reihe zu bekommen. Knapp 600 Seiten Fantasy verbergen sich hinter dem Hardcover. Nach wenigen Seiten des Lesens war mir klar, dass das Titelbild den 11-jährigen Protagonisten Malcolm in seinem Kanu „La Belle Sauvage“ zeigt. Allerdings muss ich etwas bemängeln: Wo ist Asta, Malcolms Dæmon? Vielleicht sagen Sie jetzt „Natürlich in Malcolms Tasche, verwandelt in eine Maus, geschützt vor Wind und Wetter“. Möglich wäre es.

Ein Dæmon als Verkörperung der Seele eines Menschen. So haben Sie der Reihe DAS Merkmal gegeben, das seinesgleichen sucht. Jeder Leser fragt sich unaufhörlich, welcher Dæmon der seine wäre. Eine schwierige Frage, auf die ich bis jetzt noch keine Antwort habe, denn es gibt so viele Tiere auf dieser Welt, die in Frage kommen könnten. Diese Vielfalt haben Sie genutzt, vor allem bei den jungen Darstellern der Geschichte. Denn Dæmonen können, solange ihr Mensch sich noch entwickelt, die Gestalt so oft ändern wie sie wollen.

Wie Malcolms Dæmon Asta. Sie ist das perfekte charakterliche Gegenstück zu Malcolm. Beide sind klug, hilfsbereit, neugierig, freundlich und offen. Wer den Jungen mit dem roten Fuchshaar nicht leiden kann, ist meines Erachtens, selbst dran schuld. Sein Abenteuer bildet den roten Faden in „Über den wilden Fluss“. Wäre das nicht so gewesen, hätte ich mich in der politischen Problematik gänzlich verloren!

Malcoms Eltern betreiben in der Nähe von Oxford ein Gasthaus, die Stadt, die sie selbst durch Studium und Beruf sehr genau kennen. Die Welt, in der Malcolm lebt ist unserer gar nicht so unähnlich. Ich würde sagen, zeitlich nähern wir uns doch dem 20. Jahrhunderts inklusive anbarischen Geräten und Fahrzeugen, typische Steam Punk – Elemente, nicht wahr Mr. Pullman? Die Menschen werden durch ein stark kirchlich geprägtes, ich nenne es mal, Staatsorgan delegiert. Die Wissenschaft wird beobachtet, besonders, wenn sie sich mit Dingen befasst, deren spirituelle Herkunft eine wichtige Rolle spielt.

Eine heikle Situation, die nicht nur über Malcolms personale Erzählweise, sondern über mehrere Erzählstränge der engagierten Nebendarsteller, wie die Forscherin Hannah Relf oder dem ehemaligen Lordkanzler Nugent, näher gebracht werden. Die Thematik ist derart komplex, dass ich nicht alles fassen konnte. Dazu kommen noch Prophezeiungen über ein Gerät namens „Aleothiometer“ und ein Baby.

Lyra. Verfolgt von Behörden, der Kirche, Spionen und Wissenschaftlern. Manche wollen ihr anscheinend Böses und andere anscheinend nicht. Wie Malcolm, der beginnt geschwisterliche Gefühle für sie zu entwickeln. Doch was hat dieses kleine Mädchen so Besonderes an sich? Ich muss sagen, Sie werfen dahingehend mehr Fragen auf als beantwortet werden. Mir bleibt quasi nichts anderes übrig als die Geschichte von Lyra, die hier ihren Anfang nimmt, weiter zu verfolgen.

Ich weiß, es ist der Beginn einer langen Reise und hier ist Malcolm der Hauptdarsteller. Doch selbst seine Story nimmt durch die vielen politischen Fragmente erst nach 200 Seiten richtig Fahrt auf. Sorry, Mr. Pullman, trotz ihres lebendigen bzw. bildhaften Schreibstils hat es etwas zu lange gedauert bis der wilde Fluss wirklich über die Ufer trat. Haben Sie einmal überlegt eine Karte des Flusslaufs einzubringen? Ich glaube, meiner Orientierung täte das definitiv gut.

Nichtsdestotrotz fuhr ich doch noch mit Malcolm in seinem Kanu durch viele unberechenbare Begegnungen, Spannungsbögen und neuen Gefühlen, die der 11-Jährige gerade erst entdeckte. Malcolm wächst mit der Aufgabe, Lyra und andere zu beschützen, die er liebt. Er lernt sich selbst besser kennen und wirkt zum Schluss ein ganzes Stück älter als er es wirklich ist. Eine dramatische Mischung, bei der ich mitfieberte! Obwohl ich auf klassische Zauberei hätte verzichten können, die meiner Meinung nach nichts in dieser Geschichte zu suchen hatte. Ich weiß, Sie sind anderer Ansicht, sonst würde es nicht vorkommen. Aber man kann es bekanntlich nicht jeden recht machen.

Schlussendlich, werden wir uns wohl wieder schreiben Mr. Pullman. Auch wenn ich nicht ganz zufrieden bin, ihr Stil gefällt mir. Und wer weiß, vielleicht werden wir noch Bookbuddies.

Love Greetings Tina (& Diego)

Wie findet ihr alternative Ideen zur klassischen Rezension? Ich habe schon die ein oder andere Briefvariante zu anderen Büchern gelesen und das hat immer noch einen persönlicheren Touch. Findet ihr das auch?

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