Rezension "Sturm" von Christoph Scheuring - Provokant, brutal, aufklärend und nachhallend

Rezension „Sturm“ von Christoph Scheuring – Provokant, brutal, aufklärend und nachhallend

/*Werbung/

Ein wunderschönes Bergfest meine Lieben,

für mich ist noch nicht ganz Bergfest, weil ich diese Woche auch Samstag ran muss. An sich ist es aber ganz gechillt, weil ich weniger „Termine“ habe als letzte Woche, hoffentlich meinen normalen Trott durchziehen kann und vor allem ausgeschlafener bin, was bisher ganz gut klappt.

Also kümmere ich mich auch eine Runde um den Blog. Dazu gehört diese Rezension. An „Sturm“ hing ich tatsächlich 2 Wochen lang, eher aus Zeitgründen als das es am Buch selbst lag. Doch es ist geschafft und ich weiß noch nicht, was jetzt für eine Rezension raus kommt. Ich leg also einfach mal los.

2 Menschen, die eine Verbundenheit zur Natur haben und es doch unterschiedlich angehen

Allgemein:

Christoph Scheuring ist ein bekannter deutscher Journalist und Autor, der bereits für den Jugendliteraturpreis nominiert war. Anfang 2020 veröffentlichte er erneut einen Roman beim Magellanverlag und beschäftigt sich damit vor allem mit der kontroversen Diskussion um Nachhaltigkeit, Naturschutz und wie der Mensch damit umgeht. Innerhalb der Geschichte lernen wir die 18-jährige Nora kennen, deren Verhältnis zu Tieren, aus gutem Grund, besser ist als zu Menschen. Nach einer radikalen Protestaktion wird sie zu Sozialstunden verdonnert, die sie über eine Organisation nach Kanada führt. Als Observerin soll sie die Fischerfamilie Meinart bei ihrer Arbeit beobachten. Doch dann kommt mitten auf See ein Sturm auf, der Nora und den jungen Fischer Johan um ihr Überleben kämpfen lässt.

Mein Bild:

Meine Erfahrungen mit dem Magellanverlag sind bisher so, dass jedes Jugendbuch Themen anspricht, die einen heranwachsenden Menschen beschäftigen können: Trauer, Familie, Freundschaft, Liebe, Diversität, Krankheit und noch vieles mehr. Oft in einer Art und Weise, die mich packt. So war es auch hier, wenn auch die Protagonistin schon ein Kaliber für sich ist, dazu aber gleich mehr.

300 Seiten Hardcover lagen vor mir. Haptisch ist das Buch sehr angenehm aufgemacht. Es hat ein bisschen was von geprägten, weichen Karton und fällt aufgrund des groß aufgedruckten Titels doch sehr auf. Von Christoph Scheuring hatte ich bisher noch nichts gelesen, bekam bei diesem Buch jedoch ganz schnell das Gefühl, dass er gewisse Ereignisse im Buch entweder selbst erlebt haben könnte oder wahnsinnig detailliert recherchiert hat.

Hier kommen wir zu dem Punkt, bei dem ich klar sagen muss, dass das Buch eine Triggerwarnung braucht! Häusliche Gewalt, Alkoholismus, sexuelle Übergriffe und Tierquälerei spielen in dieser Geschichte eine Rolle und das sehr bildlich. Ich bin für Ehrlichkeit und mag es auch nicht, wenn Sachverhalte beschönigt werden, aber mir drehte sich teilweise der Magen um, mich überkam der Wunsch Bilder aus meinem Kopf zu verdrängen oder meine Lebensweise komplett umzustellen. Das war sowohl gut als auch schlecht – ein ziemlicher Zwiespalt für mich.

Der Schreibstil des Autors war etwas gewöhnungsbedürftig bzw. die sprachliche Ich-Perspektive der Protagonistin Nora. Ich hatte beim Satzbau eingangs immer das Gefühl, dass ein Satz an sich schon beendet war, aber dann noch ein paar Worte ergänzt wurden. Wie soll ich es beschreiben? Es war so, als wäre Nora noch etwas eingefallen, bevor sie den Satz gedanklich zuende gebracht hat. Sie selbst ist kein einfacher Charakter. Geprägt von ihren schlechten Erfahrungen mit Männern, hasst Nora diese wie die Pest. Genauso erfuhr sie innerhalb ihrer zerrütteten Familie nie die Liebe, die sie gebraucht hätte. Ich war schockiert über diese Situation, die meines Erachtens leider einem Bild entspricht, das vorkommt. Umso mehr bin ich beeindruckt, dass sie nicht daran zerbricht und sogar einen großen Aktivismus an den Tag legt, den ich ihr nicht zugetraut hätte. Sie ist clever, setzt Ideen aber leider oft mit falschen Mitteln im Alleingang um. Ihre Facetten reichen wirklich von mutig bis absolut verständlich über unangebracht zu gewalttätig. Ich habe bis jetzt das Gefühl, dass ich sie nie wirklich einschätzen könnte, weil sie zu viel erlebt hat und demnach viel verarbeiten muss. Das ist auch nicht schlimm, denn sie blieb trotzdem authentisch.

Und dann trifft sie auf den 23-jährigen Johan. Wow, was für ein Typ. Harte Schale, weicher Kern, ziemlich unaufgeregt. Egal in welcher Situation, er behält immer den Überblick und die Kontrolle, steht für das ein, wofür er mit Leidenschaft brennt. Das ist natürlich der Punkt, den Nora ziemlich anziehend findet, wenn auch widerstrebend. Ja, Ich mochte Johan. Seine Sicht, wie der Mensch mit der Natur leben sollte, leuchtet ein. Scheuring spricht damit auch an, dass der Mensch den Kreislauf der Natur akzeptieren muss, auch den Tod. Die Art und Weise ist natürlich ein Aspekt, die der Autor an verschiedenen Beispielen aufführt und infrage stellt. Es beginnt bei falsch ausgelegter behördlicher Aufsicht und endet bei zerstörerischen Methoden dem Menschen massenhaft Ware zu liefern. Mir ist dadurch bewusst geworden, wie wenig ich eigentlich weiß und dass genügend Punkte in der ganzen Umwelt- und Klima-Thematik untergehen. Die Aufklärung, das Anregen darüber nachzudenken haben mir gut gefallen. Ich finde, das Buch kann man fabelhaft im Schuluntericht unterbringen – das ist spannend, nervenaufreibend und gesprächsanregend.

Ebenso wie der der Überlebenskampf im Sturm. Ich habe absolut mitgefiebert, obwohl ich den Seemannsjargon nicht immer verstand. Ans sich ist es ein schlechter Witz, dass eine Naturgewalt zwei Menschen so zu schaffen macht, die sie doch beschützen wollen. Andererseits, wie sagt man so schön: Die Natur holt sich immer alles zurück. Kurz vor Schluss dachte ich ehrlich gesagt dann doch, dass die Beiden es nicht schaffen werden und das Buch somit ein Ende bekommt, das ich so nicht vorhergesehen habe. Chapeau dafür!

Ich denke, die Schwerpunkte Naturschutz und Überlebenskampf allein hätten gereicht, um das Buch auszufüllen. Dazu hätte ich Noras zerrüttetes Leben nicht gebraucht oder die Anspielung auf ihre frisch entdeckte Bisexualität, die zu Beginn und am Schluss thematisiert wurde. Wozu, verdammte Axt? Ebenso frage ich mich bis jetzt, wie man so schnell als Observerin nach Kanada einreisen kann, obwohl man gerade vom Gericht verurteilt wurde. Dieser Umstand kam mir unrealistisch vor. Ich habe nicht recherchiert, ob das wirklich so einfach ist. Jedoch glaube ich nicht, dass Christoph Scheuring sich dabei einen Spaß erlaubt hat, oder etwas doch?

Fazit:

Aufklärend, facettenreich und definitiv etwas für Leser, die mehr als eine Seite zum Umwelt-, Klima- und Naturschutz beleuchten wollen. Zudem ein atemberaubendes Seenot-Abenteuer, das uns lehrt, dass der Mensch nur ein winziger Teil auf diesem Planeten ist. Teilweise verstörend ist allerdings die Hintergrundgeschichte der Protagonistin, daher setze ich definitiv eine Triggerwarnung!

4 von 5 Pfoten

Rezension "Sturm" von Christoph Scheuring - Provokant, brutal, aufklärend und nachhallend

Habt ihr Buch- Empfehlungen, die sich kritisch mit dem menschlichen Umgang unserer natürlichen Ressourcen auseinander setzen?

Liebe Grüße Tina (& Diego)

*Das Buch wurde mir kostenfrei vom Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Meine Meinung bleibt davon unberührt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert