"Wolfsblut" von Jack London - Zu Beginn eine Disneydoku, später die grausame Wahrheit

„Wolfsblut“ von Jack London – Zu Beginn eine Disneydoku, später die grausame Wahrheit

Guten Abend liebste Buchgemeinde,

anscheinend stehe ich diese Woche förmlich darauf, meine Beiträge spät zu schreiben und zu veröffentlichen. Vielleicht liegts an meiner Arbeitszeit oder dass der Verstand nicht abschalten kann. Wer weiß. Da, noch die ein oder andere Rezension aussteht, lege ich mal los mit dem letzten Klassiker aus der #readingclassic – Lesegruppe. Ich habe mich entschieden, auch diesen Klassiker ein wenig anders vorzustellen bzw. meine Meinung kompakter kund zu tun.

Der Klassiker von 1906

Der amerikanische Autor Jack London errang vor allem durch sein 1903 erschienenen Roman „Der Ruf der Wildnis“ internationalen Ruhm. Seine Bücher setzen sich vor allem mit dem Kampf ums Überleben, dem Menschen als Übermacht und dem Willen der Natur auseinander. „Wolfsblut“ bildet dahingehend keine Ausnahme. Innerhalb der Geschichte bekommt der Leser vor Augen geführt, wie sich ein junges Wildtier durch Menschenhand in einen Diener, später in eine aggressive Kampfmaschine und dann fast schon zum Schoßhund entwickelt.

Abenteuerflair und Hundeliebe – meine Erwartungen

Ich habe mich ja tierisch gefreut, dass es sich um einen Vierbeiner dreht. Bisher kannte ich nur den charmanten Film von 1991, der mich als Kind in seinen Bann zog und ich ziemlich neidisch auf den Darsteller war, dass er einen Wolf an seiner Seite wusste. Irgendwie dachte ich, dass das Buch so ähnlich sein würde – quasi eine Rettungsaktion aus den Fängen von Tierquälern und die Wildnisabenteuer eine dankbaren Wolfes, der seinen Retter beschützt. Ihr kennt mich, meine Naivität kennt manchmal keine Grenzen. Es war natürlich anders.

Mancher Mensch sollte seine eigenen Schläge selbst spüren…

Die Ausgabe von Anaconda besitzt gerade mal um die 250 Seiten und ich habe selten so viel Geschichte auf so wenig Seiten gelesen. Ich bin definitiv beeindruckt über den atmosphärischen, situationsaufgreifenden Schreibstil. Jack London schien selbst viel Zeit in der Wildnis Kanadas verbracht zu haben. Die Beschreibung der rauhen Landschaft, die Unerbittlichkeit und grausame Schönheit der Natur lieferten mir ein konkretes Bild über die Lebensumstände für Mensch und Tier. Der Kampf ums Überleben nahm den Beginn des Buches vollkommen ein. Irgendwie mit einer Spur Sarkasmus, denn hier wurde die Natur noch als Übermacht dargestellt.

Dieser Punkt hielt sich noch eine Weile und als der Erzähler mir die wilde Welpenschule des jungen Wolfsblut näher brachte, musste ich unwirklich an Disney Tierdokus denken, die selbst noch für reißende Löwen liebreizende Worte abgewinnen konnten. Ich hatte wirklich Spaß daran, lächelte.

Jedoch verging mir mein Lächeln bald. Der Mensch aus den Augen eines Tieres wird als „Gott“ bezeichnet. Der Mensch, wie er sich nimmt wozu er Lust hat, der Mensch, wie er Lebewesen behandelt als wären sie Dreck. Das hatte nichts vom Aspekt „Der Wolf habe sich dem Menschen freiwillig angeschlossen“ oder „Willkommen bei Martin Rütter“. Mit roher Gewalt und voller Einsamkeit schildert der Erzähler Wolfsbluts Schicksal. Ich gebe offen zu, an vielen Stellen hoffte ich einfach nur, dass das Tier zur Vernunft komme, denn der Mensch würde es nicht tun. Mir blutete das Herzchen, obwohl rein logisch betrachtet, alles passte, egal wie schlimm die Unterdrückung der Wildnis in Form eines Wolfs auf die Seiten gebannt wurde.

Mit dem Abenteuerfilm von 1991 hatte das kaum etwas gemein. Ich konnte erst nach knapp 190 Seiten aufatmen, doch meine Gedanken galten dem, was wir uns doch täglich herausnehmen. Eine Geschichte, die davor warnt, dass nichts mehr so sein wird, wie es war, wenn der Mensch sich einmal einmischt.

Das ziemlich verweichlichte Ende überzeugte mich im übrigen gar nicht. Sorry, aber es passte tatsächlich nicht mehr zum Gesamtkonzept. Jack London kehrte damit wieder zum Disney-Aspekt zurück – dieses Mal zu „Susi & Strolch“, obwohl er die damals noch nicht kannte.

Fazit:

Kein Abenteuerroman, eher die Biografie eines Wildtieres, dass ungewollt in Menschenhand geriet. Atemberaubend, grausam und eindringlich, mit genügend Atmosphäre, um einen Leseabend zu füllen. Aber Achtung! Es gibt Momente des Kitschs, die das Gesamtkonzept stören könnten.

4 von 5 Pfoten

"Wolfsblut" von Jack London - Zu Beginn eine Disneydoku, später die grausame Wahrheit

Wer hat Wolfsblut gelesen oder ähnliche Geschichten gelesen? Wie steht ihr zu Abenteuerromanen, die viel ernster sind als man zunächst dachte?

Liebe Grüße Tina (& Diego)

2 Kommentare

  1. Ich liebe die Romane von Jack London – so als ausgemachter Fan aller Hundeähnlichen ja eh. Mich überrascht immer wieder, welchen Blickwinkel dieser Autor zu dieser Zeit einnimmt. Wie er die Grausamkeit der Menschen herausarbeitet und die Perspektive des Tiers einnimmt. Aber du hast recht, die Geschichten bedrücken auch ungemein! Leider kann ich mich an das Ende schon gar nicht mehr richtig erinnern. Wird wohl Zeit für einen Reread 😀

    Liebe Grüße
    Lisa

    1. Liebe Lisa,

      Londons Perspektive ist schon irre, gerade zu dieser Zeit. Da gebe ich dir recht.
      Es war erschütternd, irgendwie auch ernüchternd, beeindruckend… Echt schwierig.
      Der Austausch zu diesem Buch war interessant, vor allem, wenn man Nicht-hundehalter und Hundehalter befragt.
      Mein Herz hat schon geweint.

      Liebe Grüße
      Tina

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