Guten Abend liebste Buchmenschen,
die neue Woche hat begonnen und normalerweise sollte jetzt, wie üblich, die Montagsfrage diesen Blogbeitrag schmücken. Aber die liebe Antonia von „Lauter & Leiser“ kränkelt, von daher gibt’s keine Frage, aber einen gute Besserungsgruß!
Ich hinke nach wie vor absolut mit dem Blogbeiträgen hinterher. Ich habe letzte Woche nichts für diese Woche vorbereitet. Warum? Puuh, ich war recht viel unterwegs, das Wochenende war voll, ich wollte zudem lieber lesen und mich ausruhen, wenn es sich ergab. Nun ja, das habe ich davon. Es wird spontan!
Deswegen fange ich jetzt an, euch vom letzten Buch aus der #readingclassics – Gruppe zu erzählen. Die Mädels und ich lesen an sich bis übernächste Woche noch Aldous Huxleys „Schöne neue Welt“. Ich bin allerdings schon durch, weil ich dachte, ich würde für dieses Buch eine Ewigkeit brauchen. Wirklich. Doch es kam anders. Mehr dazu gleich!
Worum geht’s? – Inhaltsangabe aus meiner Sicht
Die Utopie erschien erstmals 1932 und erzählt die Geschichte einer Welt, in der jeder mit seinem Leben zufrieden scheint. Man wird von klein auf so konditioniert, wie die Gesellschaft es haben möchte. Die Wissenschaft hat es geschafft, den Menschen zu formen, wie man ihn braucht. Die Weltcontroller delegieren die Welt nach den Regeln Fords (ich nenne ihn Mal den Propheten Freud). Doch dann erscheint ein junger Mann auf der Bildfläche, der abseits dieser Gesellschaft aufgewachsen ist und kein Verständnis dafür aufbringt, wie eine zivilisierte Gesellschaft ohne Individualität und Emotionen vor sich hin leben kann. Doch was kann er allein dagegen ausrichten?
Ein Re-Read, dem ich nicht gerade entgegen fieberte
Ich lese Bücher nicht oft zweimal, erst recht nicht, wenn ich sie Sch… schlecht fand. „Schöne neue Welt“ habe ich vor 8 oder 10 Jahren das erste Mal in der Hand gehabt. Es war eine Empfehlung von einer damaligen Klassenkameradin aus der Berufsschule und ich glaube, ich stand damals übel auf Dystopien. Wenn ihr zurück rechnet, kommt ihr sicherlich schnell auf die „Tribute von Panem“ oder Ally Condies „Die Auswahl“. Jap, das war meine Zeit, ich sag´s euch. Mich interessierte dementsprechend auch, wie sich Autoren viel früher die Zukunft oder eine „perfekte“ Gesellschaft vorstellten. Wie futuristisch waren wohl die Ideen zu Anfang oder Mitte des 20. Jahrhunderts? Außerdem wollte ich damit angeben, dass ich so ein Buch gelesen habe. Klassiker gehörten eben damals schon nicht zu meinem bevorzugten Büchern.
Die Enttäuschung war riesig. Ich mochte „Schöne neue Welt“ überhaupt nicht. Ich kann mich noch erinnern, wie ich mich durchquälte, wie blödsinnig ich es fand, Menschen so zu unterteilen, wie trocken, langatmig und emotionslos sich der Text las. Wo war das Abenteuer? Wo war die Rebellion? Die heftige Liebesgeschichte? Ich suchte sie bis zum Ende vergebens. Nach wenigen Monaten hatte ich den Inhalt so gut wie vergessen. Mein Gedächtnis kramte nur noch das Nötigste heraus, wenn es sein musste. Es hat mich einfach nicht geflasht.
Lies ein Buch gut ein Jahrzehnt später und es kann sein, dass du die Welt darin anders siehst
Tja, und nun sitze ich hier und fasse es immer noch nicht, dass ich sagen kann: Es war kein hochspannender Roman, bei dem ich ins Schwitzen kam, aber es war hochinteressant, wie logisch und detailliert, wenn auch sehr wissenschaftlich der Weltenaufbau konstruiert wurde. Es war schrecklich und faszinierend sogleich. Es war mir nicht zu trocken oder zu langatmig, nur an einigen Stellen zu physikalisch ausgedrückt. Ich kann nicht schwören, dass ich alles verstanden hätte, was ich gelesen habe, aber ich fands trotzdem gut.
Aldous Huxley führt den Leser gleich zu Beginn in die Massenproduktion von Menschen ein. Ich bin erschrocken, wie normal das für die Gesellschaft geworden ist: Künstliche Befruchtung, Klonen, Manipulation, Gott spielen, Konditionierung, um die Menschen dann in die passenden Kasten zu platzieren, die natürlich von ganz niedrig bis hochtragend existieren. Das alles unter dem Motto: Kollektivität. Identität. Stabilität.
Das Schlimme ist, ich habe verstanden, warum man das so und nicht anders umsetzt. Es macht grundsätzlich Sinn, dem Menschen das zu geben, womit er glücklich und zufrieden ist. Kein Krieg, eine hohe Lebensqualität, kein Meckern, kein Jammern, kein Drama, keine Kriminalität, keine Krankheiten, eine hohe technische Entwicklung und so weiter und sofort. Doch der Preis wäre mir persönlich zu hoch. Der Mensch ist noch nicht mal geboren und wird schon in eine Schublade mit seinen zwanzig anderen geklonten Zwillingspaaren geschoben. Es gibt keine Wahl, keine Freiheit, die Grenzen sind eng gestrickt, Emotionen sind nicht erwünscht, Instinkte existieren nicht. Es ist gegen die Natur. Ich kann es gar nicht so gut wiedergeben, wie es dieses Buch tut. Man muss es einfach gelesen haben.
Protagonisten, die man nicht unbedingt liebt
Ich glaube, wir können sehr froh sein, dass die meisten Geschichten ganz viele Emotionen und Individualität bzw. einen eigenen Willen zeigen. Hier kann man davon einfach nicht ausgehen, schon allein weil jegliche Rebellion im Keim erstickt wird. Und das sogar sehr einfach: Drogen. Legale Drogen. Verrückt, oder? Jedoch funktioniert es in diesem Buch.
Die Erzählperspektive des Buches wirkt generell recht emotionslos, fast faktisch. Trotzdem hat es mich gepackt, sei es nur, weil mein Widerwillen gegen dieses Weltbild geweckt wurde. Gerade bei den zivilisierten Bewohnern ist dem Autor das gelungen. Lenina beispielsweise ist eine junge Frau, bei der ich anfangs dachte, dass sie eine „Andersdenkende“ sein könnte, doch sie ist zu naiv, zu gutgläubig und zu sehr in ihrem Schema drin. Sie mögen? Never.
Bernard Marx hingegen denkt anders, doch Stück für Stück sah ich ihn als Speichellecker an. Er ist egoistisch und auf Macht aus. Mögen? Fehlanzeige.
Helmholtz Watson (ja, diese Namen sind verrückt, ich weiß) ist mir am sympathischsten gewesen. Ein kluger Mann mit einer philosophischen Ader, der sich aber nicht austoben kann. Er hatte immer mein vollstes Verständnis. Helmholtz war für mich die vernünftigste Person, obwohl er nur eine Nebenrolle inne hatte.
Der sogenannte Wilde, John, fernab aufgewachsen, betritt aus einen bestimmten Grund die Bühne, den ich nicht spoilern werde. Ein Mann mit so vielen Gefühlen! Ich mochte ihn zu Beginn. Bis Huxley zeigte, wie unkontrollierbar Gefühle sein können, wie verstörend und traumatisch Welten aufeinander prallen und dass einer allein gegen die Masse kaum eine Chance hat. Das hinterließ einen monströsen Eindruck.
Fazit:
Es ist kein Abenteuer, kein Actionthriller, keine Romanze. Es ist ein futuristisches Bild einer Gesellschaft, die gar nicht so unrealistisch scheint und zum Nachdenken anregt. Was ist dir wichtiger: Zufrieden innerhalb deiner Grenzen zu sein oder individuell deine Grenzen sprengen zu können?
4 von 5 Pfoten
Liebe Grüße Tina (& Diego)
Hallo mein Tina und Diego,
das Buch habe ich noch nie gelesen, dabei mag ich die Klassiker eigentlich sehr, besonders wenn sie ins dytopische gehen. Wie du auch möchte ich wissen wie die „zukünftigen“ Welten und alle damit verbundenen Umstände sind. Gereizt hat es mich früher nie, aaaaber, es stimmt, die Lesegewohnheiten ändern sich (bei mir jedenfalls) und jetzt will ich dieses Buch doch lesen. Danke für diese sehr aussagekräftige und schöne Rezension. Hab noch eine gute Woche, liebe Grüße
Kerstin (und Bone)
Hallo Kerstin,
freut mich, dass ich dir ein weiteres Buch für die Wunschliste gezeigt habe 🙂
Ich bin gespannt, was du als Kenner, dann sagen wirst.
Liebe Grüße
Tina
Huhu Tina!
Ich habe das Buch gerade ausgelesen und stimme dir in so vielen Punkten zu! Ich freue mich schon sehr auf unsere Diskussion am Sonntag, ich glaube, das wird sehr sehr spannend! Auf jeden Fall hat es mir unglaublich gut gefallen, einzig der Schreibatil hat mich stellenweise genervt.
Liebe Grüße
Huhu Mareike!
Freut mich, wenn ich den Nagel in ein paar Punkten auf den Kopf getroffen habe.
Ich bin auch gespannt, was die anderen zur Story sagen.
Der Schreibstil, ja, da wird das einschlägige Argument kommen, dass es sicherlich an der damaligen Zeit lag.
Liebe Grüße
Tina