„Der Schein“ von Ella Blix – Ein Jugendbuch, das mit den Erwartungen der LeserInnen spielt und mit mysteriösen, lustigen, wie auch facettenreichen Details aufwartet

Guten Abend meine Lieben,

es ist Freitag! Und ich Glückspilz dürfte heute bereits einen freien Tag genießen. Ja, genießen. Mir geht es besser. Natürlich fehlt Diego an allen Ecken und Enden, das werde ich wohl noch öfter sagen. Aber ich kann lachen, den Tag füllen und manchmal eben weinen, wenn es dann doch doof ist. Macht euch also keine Sorgen, ich bin gut verplant, liebevoll umsorgt und stehe aufrecht. So aufrecht, dass sogar eine Rezension entstanden ist (tolle Überleitung, oder?). Endlich habe ich mal wieder ein Buch von meinem SUB befreit, juhu.

Einmal mit den Schubladendenken aufgeräumt, denn der Schein trügt oft!

Allgemein:

Ella Blix ist das Autorinnenduo um Antje Wagner und Tania Witte, die bereits zwei Jugendromane beim Arena-Verlag veröffentlichten. Darunter die im Jahr 2018 erschienene Geschichte der jungen Alina. Von ihrem Vater auf die viel zu ruhige Ostseeinsel Griffiun geschickt, um 6 Monate das Internat Schloss Hoge Zand zu besuchen, reagiert sie alles andere als begeistert. Alina will nur eins, zurück nach Berlin. Doch es heißt es Augen zu und durch. Was sie allerdings nicht erwartet hat, sind die merkwürdigen Ereignisse und Regeln auf Griffiun. Warum darf man das Naturschutzgebiet nicht betreten? Was ist das für ein blitzewerfendes Schiff mitten in der Nacht? Was steckt hinter dem neuen Kioskbesitzer und der heimlich Camperin? Fragen, denen Alina mit den „Lonelies“, ihren neuen Mitschülern, auf den Grund gehen will.

Mein Bild:

„Der Schein“ lag über 2 Jahre auf meinem SUB, eine echte Schande, wenn ich bedenke, wie gut mir die Geschichte um Alina und vieles mehr gefallen hat. Doch erst einmal von vorn. 2018 hatte ich das Buch auf der LBM ergattert, natürlich nach einer Lesung der Autorinnen inklusive Signiermöglichkeit, ist ja wohl logisch. Irgendwie klang es spannend und der Klappentext wahrte eindeutig mehr den „Schein“ (haha, Wortspiel!) als das er viel preis gab. Dass ich zudem völlig in dieses Cover verliebt bin, brauch ich wohl nicht sagen. Gold auf schwarzem Untergrund geht immer und eh ich mitbekommen habe, dass dieser verschlungene Nebel ein Wort bildet…Meine Überraschung war groß.

Auf 470 Seiten erzählen Antje Wagner und Tania Witte mir, wie die bald 16-jährige Alina von ihrem „Pa“ auf die Ostseeinsel Griffiun geschickt wird und bereits die ersten Sätze verrieten, dass sie nicht viel davon hält. Generell habe ich wirklich herzlich geschmunzelt über manche Situation, die Alina erlebte. Der Schreibstil in Ich-Perspektive hatte genau den jugendlichen Slang, den es brauchte, um locker zu sein. Glücklicherweise nicht in einer dämlichen Art und Weise, sondern bildlich, emotional und glaubhaft. Was ich damit sagen sollte: Mein Herzchen fieberte mit und zauberte mir mit mancher Andeutung auf Game of Thrones oder Harry Potter ein Glitzern in die Augen.

Obwohl die Protagonistin es mir eingangs echt schwer machte. Ich mochte sie nicht. Alina kam rüber wie eine verwöhnte Göre, die jede Person, die sie sah in eine Klischee-Schublade schob. Dazu unnahbar, arrogant und für ein Mädel aus Berlin absolut nicht weltoffen. Für sie gab es nur wenige Menschen, die zählten, der Rest viel hinten runter. Sie war echt unfair, ließ den Menschen keine Chance an sie ran zu kommen. Jedoch war das ein guter Ansatz, um mich als Leserin selbst zu fragen, was ich in einer Situation gemacht hätte, in der ich nie landen wollte? Mit knapp 16! Ich muss daher echt zugeben, dass sie mich nicht nervte, ich wollte einfach wissen, wie sie sich im Verlauf veränderte. Denn das musste doch so kommen.

Und Griffiun? Eine Ostseeinsel mit knapp 600 Einwohnern, Solarautos, Naturschutzgebiet, Touristenkutschen und einem Internat in einem richtigen Schloss. Und wow, fand ich das Setting toll. Mal abgesehen davon, dass ich ein Ostsee-Freund bin, haben Ella Blix genau die richtige Atmosphäre geschaffen. Schon allein die Beschreibung des Schlosses, die Regeln dazu, so stellte ich es mir vor, ebenso wie die Nächte, die unvergleichlich dunkel und voller Sterne sind und einem Wind, den man nur von der See kennt. Ich als Großstadtkind konnte gut nachempfinden, wie Alina sich fühlte.

Die Handlung wurde durch viele Aspekte dominiert, wie unter anderem das bereits angesprochene Schubladendenken, ebenso wie Trauerbewältigung oder ganz besondere Mysterien der Insel. Ich glaube „Ausbrechen“ ist der richtige Ausdruck, um den weiteren Verlauf zu beschreiben. Hier kommt der Titel so oft ins Spiel: Man sollte den Schein nicht wahren, denn der Schein kann trügen. Mir wurde das Zusammenspiel aber erst viel später wirklich bewusst. Echt gut gemacht.

Dank der „Lonelies“ schwamm Alina bald in Gefilden, die die richtigen Vibes hatten. Denn die Gruppe von Jugendlichen sprühte nur so vor Vielfalt und Dynamik. Ich möchte nicht zu viel verraten, denn ihr solltet die Vier und auch die Nicht-Internatsschülerin Cara selbst kennenlernen. Sie geben der Geschichte nicht nur Vertrauen und Freundschaft, nein, mit einem weiteren Handlungsstrang werden sie zu wahrhaften Detektiven, deren einzelne Charaktereigenschaften sich entweder gar nicht für einen Fall oder erst recht dafür eignen. Im Übrigen gibt es am Anfang einen Aufhänger zum ersten Auftreten der Lonelies, der sich auf ihre vollen Namen und das Schubladendenken bezieht, bei dem ich mich im Endeffekt selbst erwischt habe, wie weit weg meine Erwartungen von dem wirklichen Bild der Personen waren. Touché!

Nichtsdestotrotz muss ich sagen, dass ich wahnsinnig viel vorausahnte, gedanklich schneller war als Alina und mich manchmal wirklich fragte, warum sie nicht einfach die Fakten zusammennahm. Lustigerweise gab es auch Dinge, die ich wieder verwarf aufgrund des einfachen Gedanken „Nee, das kann nicht sein“, um sie später wieder auszupacken. Denn der Plot ist mysteriös, geheimnisvoll und wirft viele Fragen auf. Ich meine, die Legende des dunklen Schiffs klingt nicht nur spannend, sie ist es auch. Außerdem arbeiteten die Autorinnen mit vielen Einschüben in Form von Alinas Tagebucheinträgen, die ihre Vergangenheit und die Trauer um ihre Mutter einwoben. Das ging schon ans Herz und es hing wirklich offensichtlich alles miteinander zusammen. Nur wie, das war die riesen Frage (die ich hier natürlich nicht beantworte).

Der Showdown, die ultimative Auflösung, die Antworten auf all meine und Alinas Fragen lief in eine Richtung, die ich mal wieder irgendwie ahnte, aber nicht wollte. Wie soll ich es am besten ausdrücken? Das Ende nimmt eine neue Möglichkeit in die Geschichte auf, an die vorher nicht zu denken war oder ich es nicht wollte. Ich bin zwiegespalten. Einerseits lösen sich so alle Stränge sauber auf ohne ein typisches Jugendbuchende zu haben. Andererseits ist mir der Cut bzw. Wechsel zu heftig gewesen, um mich darauf einzulassen. Das Schöne ist, Alina und ich fühlten dabei ähnlich. Das noch Schönere ist, dass wir Beide auf den letzten Seiten Zeit bekamen das Gefühl zu verarbeiten.

Fazit:

„Der Schein“ ist ein Jugendroman, der mehr beinhaltet als man ahnt. Es wird mysteriös, kriminalistisch, spaßig, gefühlvoll, vorausschauend und dann wieder überraschend. Folgt Alina und den Lonelies auf Griffiun – auch wenn ich mit Beginn und Ende warm werden musste.

4 von 5 Pfoten

Wahrt ihr auch ab und zu den Schein?

Liebe Grüße Tina

2 Kommentare

  1. Liebe Tina,

    deine Rezension klingt wirklich interessant. Ich mag Geschichten die etwas düsterer sind und bei denen man selber Detektiv spielen darf :). Etwas verwirrend finde ich deine Aussage zum Ende, klingt fast als wäre e nicht wirklich „befriedigend“ gewesen, und das ängstigt mich immer etwas zum Buch zu greifen, denn nach über 400 Seiten möchte ich auch einen schönen Abschluss haben oder? Im übrigen erinnert mich die Geschichte bzw. deine Rezension an „Stigmata“, dass war auch ein sehr düsteres Jugendbuch.

    Liebste Grüße
    Sandra

    1. Liebe Sandra,

      düster, aber auch witzig, jugendlich und gut getroffen.
      Das Ende ist schwer zu umschreiben. Ich denke, entweder man mag es oder nicht. Ich hätte mir mehr ralen Bezug gewünscht, auch wenn die Lösung gut gewählt war, um sämtliche Fragezeichen auzulöschen.
      Schön ist da wirklich Ansichtssache.

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