Hallöchen bookish People,
da wären wir wieder. Ich denke, der Herbst ist jetzt im vollen Gange. Die Tage werden dunkler, die Räume wärmer, die Kerzen erleuchten den Abend und die Kuscheldecke nimmt ihren Platz auf meinem Körper ein. Ich glaube, vielen lesenden Menschen ist der Herbst die liebste Lesejahreszeit. Es treibt einen eh nicht so nach draußen, es sei denn die goldenen Herbsttage strahlen zum Fenster hinein. So langsam schwenken die saisonalen Leser*innen von leichter Sommerkost auf High Fantasy, Dramen, Krimis und Thriller um. Ich lese selten Thriller, obwohl ich bis jetzt keinen hatte, den ich nicht spannend fand, doch manchmal scheint es mir zu nah an der Realität, zu ernst, zu wenig abschalten von der Welt.
Deswegen dachte ich, dass „Totenblick“ von Markus Heitz länger rumsubt. Ätschebätsch. So war es nicht. Denn die gute Roxxie von „The Art of Reading“ lud mich auf einen Buddyread ein, den wir bis jetzt noch nicht ausdiskutiert habe. Also Roxxie, ich bin auf dein Fazit gespannt.
Nachdem ich mich mit der Abteilung Spannung sehr gut auskenne, aber meist auf Dämonen, Vampire und Werwölfe zurückgriff, wollte ich herausfinden, ob ich einen klassischen Thriller hinbekomme.
(Quelle: Zitat Markus Heitz, Innenklappe „Totenblick“, Knaur, 2013)
Ich kenne die 1. Door – Serie von Heitz und weiß, dass der gute Mann nicht vor grausigen Szenen zurückschreckt. Ich war damals auch bei einer Lesung und weiß, dass Markus Heitz meine Heimatstadt Leipzig sehr mag. Und ich mag Markus Heitz als Mensch. Ich habe immer das Gefühl, dass er sich selbst nicht so wichtig oder ernst nimmt, Spaß an seiner Arbeit hat und sein Erfolg spricht für ihn. Trotzdem, was sollte ich von „Totenblick“ erwarten? Ich bekam das Buch letztes Jahr geschenkt. Ich habe mich eine Zeit lang gefragt, ob es ein Krimi oder ein Thriller sein soll, da die Klappeninfo nichts verrät, außer
a) es gibt einen bösen Mörder, der Morde inszeniert
b) der Gegenpartei rennt die Zeit weg (welch Überraschung)
c) ich soll mich vor dem Totenblick hüten.
Okay!? Das Cover ist ziemlich gruselig mit der Iris und dem im Schatten versunkenem Gesicht darin. Der Clou kommt noch mit der faltbaren Klappe, um einen Buchschnitt nachzuahmen, der eine Spritze enthält – was zum…? Vielleicht bekam ich es mit der Angst zu tun, vielleicht verwirrte mich das. Aber jetzt! Jetzt hatte ich meinen Spaß und dass ich den haben würde, vermittelte mir Markus Heitz bereits vorm eigentlichen Start der Story. Er baute nämlich mehrere Fiktionshinweise ein. Ich schmiss mich wirklich weg. Denn er machte sich schon ein wenig drüber lustig, dass es eine frei erfundene Geschichte ist. Außer die Stadt, die gibt es wirklich. Das musste erwähnt werden, natürlich. Spaß beiseite. Leipzigs Stadtviertel, Straßen und Bauten nehmen wahnsinnig viel Settinginformationen ein. An mancher Stelle wünschte ich mir eine kleine Karte mit „X-en“ darauf, um die Tatorte genauer zu lokalisieren, obwohl ich mich hier sehr gut auskenne. Im Endeffekt reicht jedoch folgender Tipp: Öffnet eine Online-Karte, wenn das Vorstellungsvermögen nicht ausreicht.
Heitz fackelt mit der Handlung keine Sekunde. Kein großes Vorgeplänkel, selbst im Prolog geht es zur Sache. Ich gebe aber zu, dass ich mich erst gefragt habe, was es mit der Person denn hier bitteschön auf sich hat. Das sah jetzt nicht aus, als würde es einen Mord geben. Meine Meinung änderte sich am Ende des Prologs. Jep, wir haben hier einige Cliffhanger und hübsche Twists am Ende eines Kapitels oder Leseabschnittes. Und weil es so schön ist, existieren verschiedene Handlungsstränge, die abwechselnd erzählt werden. Zudem werden vor jedem neuen Kapitel und den meisten Leseabschnitten bzw. Situationswechseln Ort, Straße und Datum als Überschrift erwähnt – das erweist sich als hilfreich. Einfach, um Zeiträume und Lokalisierung als Leser*in vor meinem inneren Auge verfolgen zu können. Bei über 500 Seiten ist das äußerst praktisch.
Die Charaktere beschreibe ich mal als untypische Stereotypen. Klingt komisch, ist aber so und ich symphatisiere damit. Zuerst Ares Löwenstein. Personaltrainer, Hüne mit Muskeln und Musketierbart, ehemaliges Mitglied einer mafiösen Motorradbande (passt zu Leipzig), Vater dreier Töchter, verfolgt von seiner mysteriösen Vergangenheit, die er natürlich hier aufklären muss und bester Freund des zweiten Protagonisten. Das wäre Kriminalhauptkommissar Rhode, der mit seiner Mannschaft Anke Schwedt und den alkoholkranken Kollegen Lackmann die Soko „Bildermorde“ gründet. Natürlich gibt es noch mehr Figuren, wie zum Beispiel einen sehr klugen und spirituellen Bestatter. Rhode dagegen ist ein Kommissar der alten Schule, gehemmt durch seine ADHS- und Stoffwechselkrankheit, die ihm oft die Konzentration raubt. Ich bin ehrlich, der Bezug zu seiner Krankheit wurde mir zu oft thematisiert, irgendwann habe ich es ja begriffen, warum er sich so verhält.
Die Handlungsstränge verfolgen zum einen Ares Leben mit seiner dunklen Vergangenheit, das mir zu Beginn mehr Rätsel aufgab als in die Geschichte passte und die Suche nach dem Täter der Bildermorde in Leipzig durch Rhode & Co.. Ach ja, zu erwähnen wäre, dass der Täter ebenso eine eigene Perspektive bekommt und Leute, die hat es in sich. Das sind die Gänsehautmomente, in denen ich mir denke, dass ich so einer Person niemals begegnen möchte. Der Autor entwickelte das Konzept des Täters und der dazugehörigen Morde mit Detailliebe. Das ist nichts fürs sensible Gemüter, ich warne euch vor. Ihr fragt euch sicher, na Mensch, was macht der denn genau? An der Stelle möchte ich nicht zu viel spoilern. Als Wink mit dem Zaunspfahl gebe ich euch mit, dass die Inszenierungen in ihrem Ursprung locker gegooglet werden können, um eine genaue Vorstellung zu bekommen. Ich habs gemacht. Das ist heftig, ich besitze viel Fantasie. Tatsächlich fragte ich mich irgendwann, wann der Bezug zum Titel kommt. Der ließ sich ein wenig feiern und schlug dann richtig gut ein. Der Totenblick ist kein ausgedachtes Spektakel, sondern Realität. So viel zum Fiktionshinweis. Heitz zeigt dazu wissenschaftliche Grundlagen auf. Glücklicherweise einfach erklärt und in die Story eingewoben. Faszinierend und makaber zugleich.
Ich flog richtig durch die Seiten. Die lockere Mundart, der gegenwärtige Erzählstil, die personalen Perspektiven, die immer wieder Überraschungen aufwerfen (oh ha, wer ist denn das?), die Verwicklungen, die sich Stück für Stück erklären und der Humor. Selbst der Humor, der nur zwischen den Zeilen zu lesen ist, einfach weil ich merkte, dass der Autor gerade einfach Bock drauf hatte etwas einzubauen, dass mich durchatmen lässt. Einfach nicht zu ernst nehmen, lesen, Spaß haben. Was mir missfiel war die Herausnahme von Figuren, die ich anfing zu mögen. Das ist echt eine Spezialität des Autors. Ähnelt fast Game of Thrones. Ich gebe euch als weiteren Tipp mit: Gewöhnt euch nicht zu schnell an den ein oder anderen. Es tut nicht lange weh, weil andere den Platz ersetzen, die ich vorher nicht in dieser Rolle gesehen habe. Ein simpler Dreh, den ich gut fand.
Abschließend sei gesagt, so ganz ohne Mystery ging es am Ende nicht. Da konnte ich nur lächeln. Es veränderte aber nicht meine Sicht auf das Gesamtpaket. Pageturner, Gruselig, schaurig, wissenschaftlich, klischeebesetzt, twistlastig, kein cozy Roman, aber auch kein true Crime und ich finde, so richtig klassisch Dank eines Augenzwinkerns genauso wenig, doch eine Empfehlung definitiv wert.
4 von 5 Pfoten
Liebe Grüße Tina (& Leo)