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Hallo bookish People,
ich bin aus dem Harzurlaub wieder zurück und heute im Blogüberarbeitungsmodus, wie man am Design sieht. Zudem bin ich euch noch eine Rezension zu „The Marmalade Diaries“ schuldig. Das Buch ist letzte Woche bei Dumont erschienen und hat mich einige Wochen begleitet.
Ben Aitkens Tagebuch ist Geschmackssache, obwohl Winnie mich schon faszinierte und an meine Oma erinnerte
Ben Aitken ist Journalist, Autor und meiner Meinung nach ein Freigeist philosophischer Art, mit dessen Art ich erst warm werden musste. „The Marmalade Diaries“ ist sein persönlich nieder geschriebenes Tagebuch während er rund 11 Monate mit einer 85-jähringen britischen Dame einen Haushalt teilte. Knackpunkt dabei: Sie lebten während der Pandemie und der Lockdownphasen zusammen. Eine ungewöhnliche WG, nicht nur wegen des Altersunterschiedes. Winnie Carter sorgte mit ihrer direkten und auch aus dem nichts heraus agierenden Art für Überraschungen, die wenig meine Sympathie weckte. Ich erwartete, dass ich lache, schmunzel, vielleicht sogar traurig werde, das Tagebuch mich emotional packt und nachdenklich stimmt. Zumindest versprach das die Info auf der Rückseite des Buches und irgendwie driftete meine Vorstellung auch dorthin ab. Doch über lange Strecken hinweg wirkte sich die Geschichte nicht so unterhaltsam aus.
Pro Monat gibt es ein Kapitel mit einer Überschrift, die den Monat vermutlich auf den Punkt bringen soll, ich jedoch schnell wieder vergaß. Die Geschehnisse und die Alltagsbeschreibungen wurden in Episoden bzw. Abschnitten innerhalb des Kapitels mit Datum beschrieben. Ben führte nicht jeden Tag im Monat Tagebuch, aber das störte mich nicht, denn es gab auch so genügend Tage, die ähnlich verliefen und sich zogen. Nicht nur für Ben, auch für mich beim Lesen. Das Lockdowngefühl schlich sich ein, die Gedanken, sich mit sich selbst auseinander setzen zu müssen, ob man will oder nicht und vor allem, wie genau Ben anfing Menschen, hier vor allem Winnie, zu beobachten.
Es beginnt mit dem Einzug und den Informationen, die Ben von Winnies Sohn Stewart erhält. Interessanterweise erfahre ich bis zum Schluss nicht, warum Ben in diese Wohnsituation wollte. Dass eine ältere Frau so Alltagshilfe bekommt, leuchtete mir ein, aber seine Beweggründe bleiben im Dunkeln. Ebenso wie seine berufliche Tätigkeit während dieser Zeit aussah. Wenige persönliche Aspekte wie Partnerschaft und Familie erwähnte er, nur mir war das zu wenig, um ihn kennenzulernen. Merkwürdig, oder? Schließlich ist es sein eigenes Tagebuch. Rein sein Gemütszustand zu Winnie ließ sich sehr gut herauslesen. Von der objektiven, faktischen Seite über zu Sarkasmus und Genervtheit bis hin zu Sympathie und Zuneigung bekam ich alles mit. Allerdings fiel ich selten mit ein. Sicherlich liegt es daran, dass es kein voll ausgeschmückter Roman mit verschiedenen Wortspielereien ist, um den Lesenden mitzunehmen. Manches liest sich wie ein Bericht oder Gedächtnisprotokoll, den dazugehörigen kompakten Sätzen bzw. Gedankenabrissen des Tages. Für mich war das verständlich und vor allem gut vorstellbar, da Ben ein Faible für Umgebungen zu haben scheint. Das Anwesen Windy Ridge, das TV-Programm, der Garten. Meine Fantasie arbeitete gut damit.
Genauso bekam ich ein genaues Bild von Winnie Carter, 85 Jahre alt, seit 10 Monaten verwitwet, eigenwillig, skeptisch, gebildet, exakt, ehrlich, organisiert, ordnungsliebend, dauerbesorgt, wenn es um ihren körperlich eingeschränkten Sohn Arthur geht. Winnie ist kein besonders empathischer Mensch. Warum auch immer, ist es ihr nicht möglich , Einfühlungsvermögen und Höflichkeit gegenüber Ben zu zeigen. Ich bewundere, dass er über die ganze Zeit ruhig geblieben ist und sich nicht von seiner Wut leiten ließ. Winnie hat ihren Trott und Gewohnheiten, denen gerade ältere Menschen treu bleiben. Das kann ich persönlich gut nachvollziehen. Genauso, wie schwierig es ist, sich umzustellen. Ihr Verlust zeigt sich in Erinnerungen, die von einem auf den nächsten Moment auftauchen, von den Geschichten, die sie Ben gegenüber preis gibt. Diese kleinen Nebenhandlungen aus Winnies Lebensgeschichte mochte ich am meisten, weil Winnie dadurch nahbarer wurde. Trotzdem war es für mich schwierig manche ihrer Charakterzüge der schon immer dagewesenen Person zuzuordnen oder dem Alterungsprozess in die Schuhe zu schieben. Wer ältere Verwandte hat, weiß, dass sich dahingehend manches verschiebt. Es tat mir dennoch gut und bestärkte mich, wenn Ben Marotten bewusst verteidigte, sie neutralisierte statt ins Negative zu setzen. Mensch ist schließlich Mensch. Es dauert seine Zeit bis Winnie Ben Zugeständnisse macht – auffällig im Bezug auf Marmelade (der Titel hat seinen Grund). Im Verlauf der 11 Monate wird ihr Verhältnis nicht innig, aber freundschaftlich, so dass selbst ich Winnie mehr mochte als ich zu Beginn je erwartet habe. Ich habe von ihr auf jeden Fall mehr gelernt als nur Orangen-Marmelade herzustellen.
Zusammengefasst beschreibt jede Zeile des Tagebuches wie langwierig sich eine generationenübergreifende Beziehung entwickeln kann, selbst wenn man sich zwangsläufig nicht aus dem Weg geht. Und vor allem, dass es wichtig ist, offen zu bleiben und sich auf Menschen einzulassen. Wo ein Wille ist, ist bekanntlich ein Weg.
Liebe Grüße Tina & (Leo)
*Das Buch wurde mir kostenfrei vom Verlag als Rezensionsexemplar zur Verfügung gestellt. Meine Meinung bleibt davon unberührt.
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